Ein Staatsstreich in Israel?

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Die bittere Ernte des Kolonialismus

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Am Sonntag, den 26. März, entließ der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu den Verteidigungsminister, um seine Macht im Land zu festigen, und löste damit spontane Massendemonstrationen aus. Am 27. März erklärte er sich angesichts eines drohenden Generalstreiks bereit, seine Bemühungen zur Durchsetzung einer Justizreform, die die Kontrolle in seinen Händen zentralisieren würde, zu verschieben. Als Gegenleistung für dieses Zugeständnis erlaubte er seinem rechtsextremen Heimatschutzminister, dem verurteilten Terroristen Itamar Ben-Gvir, eine ihm unterstellte Miliz aufzubauen. Mit anderen Worten: Nachdem die regierende rechtsextreme Koalition die Kontrolle über die Regierung, aber noch nicht über die Straßen erlangt hat, verschafft sie sich Zeit, um herauszufinden, wie sie die Volksunruhen unterdrücken und gleichzeitig die Verfolgung der Palästinenser*innen intensivieren kann.

Dies sind nur die jüngsten Entwicklungen in einem Kampf, der seit Monaten eskaliert und verschiedene Teile der israelischen Gesellschaft gegeneinander ausspielt. Das Ergebnis wird Auswirkungen auf alle haben, aber die Palästinenser*innen werden am meisten darunter leiden, unabhängig davon, welche Seite den Sieg davonträgt: Wenn die liberale Protestbewegung gewinnt, wird das herrschende Apartheidregime als legitimer empfunden, während die Situation für die Palästinenser*innen noch tödlicher und entmenschlichender werden wird, sollten Netanjahu und Ben-Gvir gewinnen.

Die folgende Analyse unserer_unseres Korrespondent*in zeigt, wie diese Krise aus einem Konflikt zwischen konkurrierenden Eliten und ihren jeweiligen kolonialen Modellen entstanden ist.


Seit Monaten finden in Tel Aviv und anderen Städten wöchentliche Massendemonstrationen statt, an denen jeden Samstag Zehntausende teilnehmen. Es handelt sich um eine der größten sozialen Bewegungen in der Geschichte Israels. Die Proteste begannen nach dem Amtsantritt der rechtsextremsten Regierung, die jemals in diesem Land regiert hat, und sie verlagerten sich bald auf den Widerstand gegen eine Justizreform, die die Macht der Regierung auf Kosten des Gerichts festigen würde.

Viele Demonstrant*innen betrachten diese Maßnahme als einen Putschversuch. Einer der beunruhigendsten Teile des Gesetzentwurfs, die so genannte Aufhebungsklausel, wird das heilige liberale Konzept der Gewaltenteilung aushöhlen. Sie würde unter anderem die Möglichkeiten des Obersten Gerichtshofs einschränken, von der Regierung erlassene Gesetze abzulehnen oder aufzuheben, der Regierung erlauben, vom Gericht für ungültig erklärte Gesetze wieder in Kraft zu setzen, und der Regierung mehr Mitspracherecht bei der Ernennung von Richter*innenn geben. Die Regierung von Benjamin Netanjahu hat bereits ein Gesetz eingebracht, das die Möglichkeiten einschränkt, eine*n amtierende*n Premierminister*in für amtsunfähig zu erklären. Um aber die soziale Dynamik, die hier im Spiel ist, in vollem Umfang zu verstehen, müssen wir uns die Widersprüche innerhalb des zeitgenössischen Zionismus und die konkurrierenden Ansätze zur Verwaltung einer kolonialen Siedlungsgesellschaft ansehen. Um den Gesamtzusammenhang zu verstehen, werden wir uns dann den neuen Entwicklungen des palästinensischen Widerstands zuwenden.

Semantik: In diesem Text verwenden wir das Wort “Palästina”, wenn wir uns auf die geografische Region zwischen dem jordanischen Fluss und dem Mittelmeer beziehen. Wenn wir uns auf den Staat und Aspekte der jüdisch-israelischen Gesellschaft beziehen, verwenden wir das Wort “Israel”.

Der Kontext hinter dem “Coup”

Die gegenwärtige Situation im so genannten Israel ist die Geschichte einer zunehmend autoritären Regierung, die ihre Macht stabilisiert, ja, aber es steckt mehr dahinter. Der Prozess der Zentralisierung, der vor langer Zeit begonnen hat, kommt jetzt zum Tragen, zusammen mit einer Polarisierung in Richtung Faschismus. Es gibt lokale und globale reaktionäre Allianzen, einen Konflikt zwischen konkurrierenden Eliten, einen Premierminister, der verzweifelt versucht, Korruptionsvorwürfen zu entgehen, und eine Siedlungskolonialgesellschaft, die sich auf die nächste Stufe von Apartheid und ethnischer Säuberung vorbereitet. Ohne dieses Gesamtbild können wir weder die vorgeschlagene Reform selbst verstehen, noch die “Bedrohung der jüdischen Demokratie”, die sie darstellt und auch nicht, warum so viele Menschen aus dem Mainstream der israelischen Gesellschaft gegen sie auf die Straße gegangen sind, während sie dabei israelische Flaggen schwenkten.

Der Gesetzesentwurf würde bereits marginalisierte Gemeinschaften der wachsenden Macht des Regimes aussetzen. Die Unterordnung des Justizsystems unter die Regierung wird viele Palästinenser*innen, Frauen*, Angehörige der LGBTQ+ Gemeinschaft, Migrant*innen, Asylsuchende und andere einem größeren Risiko aussetzen. Gleichzeitig war das israelische Justizsystem immer ein integraler Bestandteil des Apartheidregimes. Es legalisierte eine ethnische Säuberungskampagne nach der anderen. Die Enteignung von Beduin*innengemeinschaften im Naqab (Negev), die Vertreibung von Familien und der Abriss von Häusern in Ost-Jerusalem, die anhaltenden Versuche der Vertreibung und ethnischen Säuberung im Masafer Yatta-Gebiet im Westjordanland - all das hat das Gericht gebilligt und damit das Regime der jüdischen Vorherrschaft abgesegnet.

In der israelischen Demokratie hatten viele von Anfang an keine Rechte. Nun fürchten auch Angehörige der Mittelschicht, ihre Privilegien zu verlieren. Wie in anderen kolonialen Gesellschaften der Geschichte bleibt die Unterdrückung nicht auf die ursprünglichen Randgruppen beschränkt, sondern weitet sich auf immer mehr Menschen aus.

Als Reaktion darauf erleben wir in Israel derzeit eine der größten sozialen Bewegungen seit einem Jahrzehnt, zumindest seit den Zeltprotesten von 2011, die als eine Art Wiederauferstehung des liberalen Zionismus verstanden werden kann, der noch vor wenigen Wochen auf dem Sterbebett zu liegen schien. Israel hat eine sehr starke, auf der Straße organisierte und klassenbewusste Mittelschicht, die sich in den letzten zehn Jahren durch die Zeltbewegung für “soziale Gerechtigkeit” von 2011, die verschiedenen Protestbewegungen unabhängiger Arbeiter*innen und Kleinunternehmer*innen während der COVID-19-Einschränkungen, die Anti-Netanjahu-Balfour-Demonstrationen von 2020 und die aktuelle Massenbewegung gegen die Justizreform konsolidiert hat. Sie habet die Macht auf der Straße, aber nicht im Parlament, da sie Wahlen immer verliert.

Von außen betrachtet mag es so aussehen, als sei Netanjahu nicht sehr populär. In der Tat ist er eine umstrittene und polarisierende Figur in Israel. Aber der Blick auf die Massenproteste zeigt nur die Hälfte des Ganzen.

Es gibt viele wachsende antidemokratische und antiliberale Bevölkerungsgruppen in Israel, und wir reden hier nicht von Anarchist*innen. So wird die ultraorthodoxe Gemeinschaft der Haredi mit ihrer hohen Geburtenrate in einigen Jahrzehnten voraussichtlich zwei Drittel der Bevölkerung des Landes ausmachen. Die typische Wähler*innenschaft, die Netanjahu unterstützt, besteht aus mizrachischen/sephardischen Arbeiter*innen aus konservativen Randstädten - ganz zu schweigen von fundamentalistischen Fanatiker*innen und Faschist*innen, Pogromist*innen, Kahanist*innen [eine rechtsextreme Organisation, die in Israel offiziell als terroristische Vereinigung verboten ist], extremen Siedelnden und Jugendlichen aus den Bergen, die die extreme Rechte bilden. Letztere sind hochgradig organisiert und in der Lage, sowohl mit institutionellen als auch mit außergesetzlichen Mitteln Gewalt auszuüben. Sie besetzen prominente Machtpositionen, haben die Armee auf ihrer Seite, sind für die Polizei verantwortlich und stellen mittlerweile die drittgrößte Partei in der Regierung. Auch mit ausländischen reaktionären Kräften gehen sie Bündnisse ein.

Die zentrale Forderung der Protestbewegung ist Demokratie. Für Israelis bedeutet Demokratie seit den Anfängen des Zionismus immer nur Demokratie für Jüd*innen - mit anderen Worten: Ethnokratie. Die Mehrheit der Mittelklasse-Zionist*innen war mit der liberalen Demokratie für sich selbst und der Apartheid für alle anderen zufrieden. Aber jetzt, wo ihre eigenen Privilegien auf dem Spiel stehen, geht ihnen das einen Schritt zu weit.

Diese Entwicklung ist nicht beispiellos. Auf jeder Stufe ihrer Entwicklung haben liberale Demokratien immer ganze Bevölkerungsgruppen unter ihrer Kontrolle ausgeschlossen und selektiv bestimmt, wer in die “Nation” aufgenommen wird. Die französische Erklärung der Menschenrechte sprach Frauen* das Menschsein ab; die Verfassung der Vereinigten Staaten wurde von Sklavenhaltenden geschrieben. Im Namen der Verbreitung von Freiheit und Demokratie hatte die US-Regierung kein Problem damit, brutale Diktaturen in Südamerika und anderen Teilen der Welt zu unterstützen.

Demokratien weiten sich manchmal aus, um zuvor ausgeschlossene Bevölkerungsgruppen einzubeziehen, oft nach einem Aufstand und immer als Teil eines Projekts der Assimilation und Auslöschung. Wie es das Unsichtbare Komitee in “An unsere Freund*innen” ausdrückt:

Die Demokratie ist die wahrhaftigste unter allen Regierungsformen. Die Identität der Regierenden und Regierten ist die Grenze, an der die Herde zum_r kollektiven Schäfer*in wird und der_die Hirt*in sich in der Herde auflöst, an der die Freiheit mit dem Gehorsam, die Bevölkerung mit der_dem Souverän*in zusammenfällt. Das Zusammenfallen von Regierenden und Regierten ineinander ist die Regierung in reinem Zustand, ohne weitere Form oder Grenze.

So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass Diktaturen alten Stils in Spanien, Griechenland und Südamerika “zur Demokratie übergehen” mussten, um weiterhin mit öffentlicher Legitimität regieren zu können. In Israel hingegen haben die Jahre des Neoliberalismus und der Ethnokratie eine Situation geschaffen, in der die Demokratie nur noch schrumpfen kann.

Eine Masse von Menschen, die das Monster nicht verstehen, das sie geschaffen haben und das nun Jagd auf sie macht.

Einige Kommunist*innen, Anarchist*innen und radikale Linke beteiligen sich an den Protesten gegen Netanjahus Versuch der Machtkonsolidierung und bilden Anti-Apartheid-Blöcke innerhalb dieser Massendemonstrationen. Die Idee ist, den Geltungsbereich der Demokratie auf alle Menschen auszuweiten, nicht nur auf Jüd*innen, und die Frage der Besetzung Palästinas in den Mittelpunkt des Kampfes zu stellen. Das sind gute Absichten, auch wenn sie als winziger Block palästinensischer Fahnen in einem riesigen Meer israelischer Fahnen leicht an den Rand gedrängt werden. Die Organisator*innen der Massendemonstrationen und die große Mehrheit der Teilnehmenden scheinen diese Blöcke als Ärgernis oder Ablenkung zu betrachten. Die meisten Demonstrierenden verstehen den Zusammenhang mit den übergeordneten Themen der Bewegung nicht wirklich und werfen den Solidaritätsaktivist*innen vor, die Proteste für sachfremde und “provokante” Themen zu kapern. Beide Seiten beanspruchen für sich, für Demokratie zu kämpfen, aber sie stützen ihre Argumente auf völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, was Demokratie bedeutet.

Die Opposition in der Opposition.

Wenn wir den massiven Rechtsruck betrachten, der in vielen Teilen des Westens stattgefunden hat, müssen wir bedenken, dass er eine Folge des neoliberalen Angriffs auf die Arbeiter*innenklasse und des Versagens der Linken ist, Lösungen anzubieten, die es den Faschist*innen ermöglicht haben, an Einfluss zu gewinnen. Auch in Gesellschaften mit “sozialistischer Vergangenheit” haben Angriffe repressiver linker Regierungen die arbeitende Bevölkerung nach rechts getrieben. Wenn dann noch Siedlungskolonialismus hinzukommt - eine Situation, in der die gesamte Bevölkerung, Proletariat und Bourgeoisie, von einem Regime profitiert, das eine ethnische Vorherrschaft durchsetzt - dann kann mensch sich vorstellen, dass dies die Dinge noch komplizierter macht.

Vor diesem Hintergrund stellt die Regierung ihre Justizreform als populistisches Projekt im israelischen Klassenkampf zwischen der aschkenasischen Elite und den Mizrachim dar. Klassenzugehörigkeit ist in Israel stark mit ethnischer Zugehörigkeit und Geographie verbunden. Die ursprünglichen Pioniere des Zionismus, die europäischen Siedler*innen, die in den Nahen Osten kamen, hatten eine bestimmte Vision vor Augen: eine weiße, liberale, säkulare Kolonie, eine “Villa im Dschungel”. Fünfundsiebzig Jahre später sehen sie zu, wie ihre Utopie sich auflöst und vielen anderen Staaten in der Region ähnlich wird.

Wie bereits erwähnt, halten große Teile der israelischen Gesellschaft nichts von der Idee einer liberalen Demokratie - einige aus faschistischen und reaktionären Gründen, andere einfach deshalb, weil die liberale Demokratie ihnen von vornherein nichts zu bieten hatte. Viele in den Außenbezirken erinnern sich noch daran, dass die Entführung jemenitisch-jüdischer Kinder, die Niederschlagung des Matrosenstreiks in Haifa und die Zerschlagung der Aufstände von Wadi Salib so wie der Black Panthers unter dem Regime der demokratischen sozialistischen Partei Mapai (Mifleget Poalei Eretz Yisrael, die Arbeitspartei des Landes Israel) stattfanden. Äthiopische Jüd*innen erinnern sich an Polizeimorde und Jahrzehnte des Rassismus und der Diskriminierung. Und Palästinenser*innen… nun, das ist offensichtlich, aber dazu später mehr.

Doch was hier geschieht, ist nicht einfach eine Rebellion der Bevölkerung gegen die Demokratie. Eine der wichtigsten Organisationen hinter dem Putschversuch ist das Kohelet Policy Forum, ein rechtsextremes Forschungsinstitut und Think Tank mit erheblichem Einfluss auf die Regierungspolitik und finanzieller Unterstützung ausländischer Tycoons. Eine Untersuchung des israelischen Medienkanals 12 kam zu dem Schluss, dass das Forum eine wichtige Rolle bei der Vorlage der aktuellen Reform, des Nationalstaatsgesetzes von 2018 sowie bei der Beförderung von MK Betzalel Smotrich - dem rechtsextremen Politiker, der die politische Liste der religiösen Zionist*innen anführt - in die Zivilverwaltung spielte. Das Kohelet Policy Forum beschreibt seine Ambitionen als “die Zukunft Israels als Nationalstaat des jüdischen Volkes zu sichern, die repräsentative Demokratie zu stärken und die individuelle Freiheit und die Prinzipien der freien Marktwirtschaft in Israel auszuweiten” und hat verschiedene nationalistische und neoliberale Anliegen unterstützt, darunter die Privatisierung des Gesundheits- und Bildungswesens, die Abschaffung von Wohlfahrtseinrichtungen, Widerstand gegen die Erhöhung des Mindestlohns, die Annexion des Westjordanlands, die Ernennung konservativer Richter*innen und die Abschiebung von Asylbewerber*innen. Bei COVID-19 sprachen sie sich gegen die Unterstützung von Kleinunternehmen und die Erhöhung der Zahl der Krankenhausbetten aus.

Moshe Kopel, der Vorsitzende dieses Forums, lebt in Efrat, einer jüdischen Siedlung im Westjordanland. Das Kohelet Forum erhält jährlich Dutzende Millionen Schekel, hauptsächlich aus zwei Quellen: von Jeff Yass, einem konservativen und rechtsgerichteten “libertären” amerikanischen Milliardär, der auch an die Republikanische Partei der USA spendet, und von seinem Partner, dem Milliardär Arthur Dantchik. Es ist nichts Neues, dass rechtsextreme “Forschungsinstitute”, die von ausländischen, neoliberalen und reaktionären Finanziers unterstützt werden, versuchen, einen Staatsstreich zu initiieren, um die Politik eines Landes nach ihren eigenen Interessen zu gestalten.

In diesem Zusammenhang ist auch der rechtspopulistische Diskurs zu verstehen, wonach die letzte verbliebene Bastion linker Hegemonie die Justiz sei, die vom “Volk” übernommen werden müsse.

Die Rhetorik über einen linken Schattenstaat, der das Gericht und die Medien gegen die Souveränität des Volkes kontrolliert, wird Genoss*innen aus anderen Teilen der Welt bekannt vorkommen, die sich vielleicht wundern, dass die Zionist*innen diese normalerweise antisemitischen Vorstellungen importieren. Es wird weniger überraschend, wenn mensch bedenkt, wie sehr sich weiße Nationalist*innen und andere rechtsextreme Gruppen Israel zu eigen gemacht haben.

Israelische Flaggen werden regelmäßig bei Protesten der English Defense League in Großbritannien und von Trumps und Bolsonaros Anhänger*innen geschwenkt. Sie wurden während der Capitol-Krawalle in Washington, DC am 6. Januar 2021 und während der Unruhen im brasilianischen Kongress am 8. Januar 2023 getragen. Zionist*innen unterhalten Beziehungen zu evangelikalen Christ*innen in den USA, so wie Netanjahu Beziehungen zu rechtsextremen reaktionären Parteien wie den Regimen von Viktor Orbán in Ungarn und Giorgia Meloni in Italien pflegt. Ebenso hat Israel die Abraham-Abkommen mit autoritären Diktaturen in der gesamten Region unterzeichnet, darunter Marokko, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und der Sudan. Um es mit den Worten von Noam Chomsky zu sagen: Wir haben es mit einer reaktionären Welt zu tun, in der Israel eine große Rolle spielt.

Die reaktionäre Internationale.


Innerhalb Israels treibt eine Allianz von reaktionären Arbeiter*innen und selbstsüchtigen Milliardär*innen Netanjahus Machtergreifung voran, während die Demonstrierenden aus der Mittelschicht versuchen, ihre Privilegien zu verteidigen, ohne dabei Rücksicht auf die Unterdrückten und Ausgeschlossenen zu nehmen.

Das war nicht immer so. Frühere proletarische Bewegungen in Israel sahen den Zusammenhang zwischen ihrer eigenen Situation und dem zionistischen Kolonialismus und erklärten sich mit der palästinensischen Sache solidarisch. Im Jahr 1959 forderte der Wadi-Salib-Aufstand in Haifa unter anderem ein Ende der Militärherrschaft über die Palästinenser*innen. In den 1970er Jahren knüpften die Black Panther in Jerusalem Verbindungen zu den Palästinenser*innen, da sie die Kämpfe der Mizrachim und der Palästinenser*innen als miteinander verbunden sahen. Sie trafen sich sogar mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation.

Für viele in Israel war die Wahl von 1977 ein Wendepunkt, der die Arbeiter*innenklasse in die Fänge der Rechten holte. In diesem Jahr durchbrach der rechte Likud erstmals die Vormachtstellung der Mapai-Partei und gewann die Wahlen.

Auch wenn von diesem Erbe kaum etwas übrig geblieben ist, hätte es eine gute Idee sein können, den Geist der Bewegungen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts wiederzubeleben. Doch nationalistische Emotionen haben sich als stärkere Triebkraft erwiesen; eine liberale “Identitätspolitik” der oberflächlichen Repräsentation hat eine emanzipatorische, potenziell postkoloniale Vision für die Region ersetzt. Alfredo Bonanno behauptete, dass eine vom israelischen Volk ausgehende Intifada die ideale Lösung sein könnte. Wahrscheinlich ist das so - aber im Moment bewegen wir uns zügig in die entgegengesetzte Richtung.

Der Zionismus befindet sich an einem Scheideweg. Es bleibt abzuwarten, was das aktuelle politische Erwachen bringen wird.

Michelle Bolsonaro, evangelikale Christin und Ehefrau des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, bei der Stimmabgabe 2022 mit einem Hemd, das die israelische Flagge zeigt.

Ein Leitfaden zur ethnischen Säuberung

Ein effektives siedlungskoloniales Projekt ethnischer Säuberung ist nie einfach umzusetzen, und Zionist*innen waren sich schon immer uneins darüber, wie dies am besten geschehen sollte. Die Strategien und Taktiken der andauernden Nakba [“die Katastrophe”, d.h. die Vertreibung, Enteignung und Ermordung der Palästinenser*innen ab 1948] haben sich im Laufe der Zeit verändert; das Regime passt sich an, aber der Drang zur ethnischen Säuberung bleibt. Seit 1948 gab es zahlreiche Bemühungen um ethnische Säuberung, vor allem mittels Militärherrschaft und Assimilierung.

Wenn es nicht möglich ist, Menschen von ihrem Land zu vertreiben und zu deportieren, bleibt manchmal nur das Gegenteil: Sie auf ihrem Land einzusperren, ihre Dörfer und Städte in Ghettos zu verwandeln, ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken und zu überwachen, sie mit Kontrollpunkten und Mauern zu umgeben und die Vermischung von Siedelnden und Einheimischen um jeden Preis zu verhindern. Für die übrigen braucht es Assimilierungssprojekte. So wurden viele Palästinenser*innen zu “israelischen Araber*innen” und ihrer Identität wie ihrer Wurzeln beraubt.

Die messianische Siedlungsbewegung erschwerte diesen Ansatz, da sie darauf bestand, sich entgegen dem Willen der damaligen Regierung in den 1967 besetzten Gebieten zwischen den einheimischen Palästinenser*innen anzusiedeln. Die Regierungsparteien Israels lehnten die Idee jüdischer Siedlungen im Westjordanland ab, denn wenn man ein Gefängnis bauen will, macht es keinen Sinn, dass die Gefängniswärter*innen mit den Gefangenen zusammenleben. So vertrieb Ariel Sharon 2005 die jüdischen Siedelnden aus dem Gazastreifen, um ihn in ein geschlossenes Gefängnis zu verwandeln und seine Bevölkerung von Zeit zu Zeit zu bombardieren.

Hier kommt die andere Fraktion des Zionismus ins Spiel. Vereinfacht gesagt, verfolgt die liberale zionistische Strömung gegenüber der einheimischen Bevölkerung einen strikten Ansatz der Kontrolle und Assimilation: Die kulturelle Auslöschung der kollektiven Identität, insbesondere der materiellen Bindungen an den Ort und die traditionellen Lebensweisen, verbunden mit einem Freiluftgefängnismodell der ethnischen Säuberung. Der rechtsgerichtete Zionismus hingegen verfolgt einen Vernichtungsansatz und versucht, die einheimische Bevölkerung zu ersetzen. Wie der liberale Mainstream-Zionismus hat er ein ganzes Arsenal von Taktiken und Strategien entwickelt, um dieses Ziel zu verfolgen, und um diese Strategien herum haben sich verschiedene Fraktionen gebildet. Eine dieser Fraktionen, die messianischen-kahanistischen Siedelnden, kommt jetzt an die Macht, weil Netanjahu sie dringend in seiner Koalition braucht, um eine Regierung zu bilden. Sie haben andere Vorstellungen von Bevölkerungskontrolle und ethnischer Säuberung als David Ben-Gurion und die Pionier-Zionist*innen und sind dem Rahmen der liberalen Demokratie weit weniger verpflichtet.

In der akademischen Forschung wurde bisher wenig über den rechtsextremen Zionismus geschrieben, da er bis vor kurzem als Randphänomen erschien. Aber die Dinge ändern sich schnell. In der Dialektik zwischen Judentum und Demokratie hat Netanjahu die Grenzen gern verschwimmen lassen, so wie es auch die israelische Gesellschaft im Allgemeinen zu tun pflegt. Die Siedelnden in Netanjahus Koalitionsregierung haben nun einen Konflikt heraufbeschworen, da sie ihrer Vorstellung von Judentum gegenüber der Demokratie den Vorrang geben. Die religiös-zionistische Liste, eine rechtsextreme politische Gruppierung, die sich aus der kahanistischen Partei Otzma Yehudit (Jüdische Macht) und einigen anderen fundamentalistisch-religiösen und rechtsextremen Parteien zusammensetzt, ist nun die drittgrößte Partei in der neuen Regierung, und Itamar Ben-Gvir, ein altgedienter kahanistischer Aktivist, wurde neuer Minister für innere Sicherheit, was ihm die Kontrolle über die Polizei gibt.

Dies hat sich bereits auf die polizeiliche Bekämpfung der aktuellen Protestbewegung ausgewirkt. Ben-Gvir wies die Polizei an, jeden Versuch, Straßen zu blockieren oder “Anarchie zu schaffen”, mit Gewalt zu unterdrücken. Während eines der “Tage des Widerstands” in Tel Aviv warf die Polizei Blendgranaten auf Demonstrierende und verletzte einige von ihnen - ein in Tel Aviv recht seltenes Ereignis. Viele behaupteten, der Befehl dazu sei direkt von Ben-Gvir gekommen. Berichten zufolge wurde der Bezirkspolizeichef von Tel Aviv entlassen, nachdem es Ben-Gvir verärgert hatte, dass die Polizei zu nachsichtig mit den Demonstrierenden umgegangen war und seinen Befehl, sie an der Blockade der Straßen zu hindern, nicht befolgt hatte. Ben-Gvir bestritt später, dass dies der Grund für seine Kündigung war. Ihr Zeitpunkt blieb jedoch auffällig.

Ben-Gvir beobachtet die Demonstration vom Polizeirevier in Tel Aviv aus, während Polizist*innen Blendgranaten auf Demonstrierende werfen, die versuchen, Straßen zu blockieren.

Der Grundgedanke des religiösen Zionismus ist, dass die Gründung des Staates Israel den Beginn des Erlösungsprozesses darstellt - ein messianischer Prozess, der sich vor unseren Augen abspielt, die Zustimmung Gottes zur Rückkehr aus dem Exil. Der Staat ist nicht perfekt, da er liberal und säkular ist, aber die religiösen Zionist*innen sind bereit, ihn als Werkzeug zu benutzen, um ihr Ziel zu erreichen: eine theokratische Monarchie nach dem Halakha-Gesetz. Das Schicksal der Palästinenser*innen unter einer solchen Regierung wäre: vorübergehender Aufenthalt ohne Rechte oder Zwangsumsiedlung.1

In vielen jüdischen Siedlungen in der Westbank haben rechtsextreme religiös-zionistische Strömungen Wurzeln geschlagen. Ihre Milizen arbeiten in enger Abstimmung mit den israelischen Verteidigungskräften, um Terrorakte und Pogrome gegen die palästinensische Bevölkerung zu begehen, wie das jüngste Pogrom in Huwara (siehe unten). Der Spitzenkandidat Betzalel Smotrich hat bereits erklärt, dass “Huwara ausgelöscht werden sollte”. Viele Menschen in den “gemischten” Städten erwarten ängstlich die nächste Runde von Pogromen und die Rückkehr von Lynchmobs, diesmal mit den Kahanisten als neuen Polizeichefs.

Die Verwirklichung ihrer Vision würde die schlimmste Hölle auf Erden entfesseln, die dieses Stück Land seit Jahrhunderten gesehen hat. Der Zionismus hat ein Monster geschaffen, von dem er nicht weiß, ob er es bewältigen kann. Ob die Ambitionen dieser Gruppierung realistisch sind oder nicht, ist nicht das Hauptthema. Wir haben es hier mit einer engagierten konterrevolutionären Bewegung zu tun, die die Widersprüche der israelischen Gesellschaft und die politische Krise der letzten Jahre ausgenutzt hat, um an die Macht zu gelangen - einschließlich der Tatsache, dass in Israel fünf Wahlen in weniger als vier Jahren stattfanden und Netanjahu angesichts von Korruptionsvorwürfen verzweifelt versuchte, eine Koalitionsregierung zu bilden.

Die Verbindungen zwischen dem Kohelet Policy Forum und den religiös-zionistischen Politiker*innen in der derzeitigen Regierung sind eindeutig. Sie sehen MK Smotrich als ihr Tor zur Regierung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass rechtsextreme religiös-fundamentalistische Strömungen, die von US-Konservativen finanziert und durch neoliberale Ideologie legitimiert werden, einen Staatsstreich vorantreiben, um das Justizsystem eines durch ethnische Säuberung entstandenen Siedlungskolonialgebildes zu schwächen. Dies würde der Regierung einen stärkeren Zugriff auf die Macht verschaffen und sie in die Lage versetzen, die nächste Stufe des Autoritarismus zu erreichen.

MK Betzalel Smotrich bei einer Rede in Paris diesen Monat, in der er die Existenz des palästinensischen Volkes leugnete. Auf seinem Podium ist eine Karte von “Groß-Israel” zu sehen, die auch das Gebiet von Jordanien umfasst. Smotrich sagte auch, dass Huwara “ausgelöscht” werden sollte.


Es ist schwer vorherzusagen, was auf uns zukommt, aber das Schlimmste haben wir noch nicht gesehen. Wir gehen harten Zeiten entgegen, vor allem wenn wir bedenken, wie sich der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten auf diese Region auswirken und ethnische Konflikte und Kriege um Ressourcen verschärfen wird. Wir sollten uns auf die Möglichkeit vorbereiten, dass künftige Intifadas von Grundbedürfnissen wie dem Zugang zu Trinkwasser und Nahrung angetrieben werden.

Dies sollte für alle eine Lehre sein. Wir zahlen teuer für das Versagen der liberalen Demokratie und der Linken sowie für die Entscheidung, einen kolonialen Nationalstaat zu errichten, um die Probleme der unterdrückten Menschen zu lösen. Bereits 1938 erklärte Emma Goldman:

“Ich bin seit vielen Jahren gegen den Zionismus als den Traum des kapitalistischen Judentums der ganzen Welt, von einem jüdischen Staat mit allem Drum und Dran wie Regierung, Gesetze, Polizei, Militarismus und so weiter. Mit anderen Worten eine jüdische Staatsmaschinerie zum Schutz der Privilegien der Wenigen gegen die Vielen.”

Wir hätten damals zuhören sollen, als noch Zeit war. Jetzt müssen wir uns vorbereiten. Die kommende Krise lässt sich nicht abwenden. Sie ist der Kontext, in dem wir die kommenden Kämpfe ausgetragen werden.


Unterdessen auf der anderen Seite der Mauer

In Palästina ist viel geschehen, seit wir das letzte Mal aus diesem Teil der Welt berichtet haben. Seit Anfang 2023 wurden mindestens 80 Palästinenser*innen getötet. Es ist schwer, bei all den Überfällen, Massakern und Pogromen den Überblick zu behalten. Ich werde mich auf das Massaker in Nablus als eine von vielen israelischen Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen gegen die Höhle des Löwen konzentrieren, die eine neue Variante des Widerstands unter den Jugendlichen im Westjordanland darstellt, und auf das Pogrom in Huwara, das für viele Menschen einen Wendepunkt markiert.

Am 22. Februar stürmten IDF-Soldat*innen die Stadt Nablus und töteten, im Rahmen einer Operation, die sich gegen militante Angehörige der Höhle des Löwen richtete, elf Menschen. Die Operation war Teil von “Wave Breaker”, einer Militäroperation zur Aufstandsbekämpfung, die im Jahr 2022 begonnen wurde, um die neue Welle der palästinensischen Militanz zu zerschlagen. Die Höhle des Löwen ist der Name einer palästinensischen Guerillagruppe aus Nablus, die ein neues Phänomen in der palästinensischen Militanz darstellt. Die dezentralisierte, nicht-hierarchische und unvorhersehbare Struktur dieser Gruppe, die nicht mit den seit langem bestehenden traditionellen Gruppierungen verbunden ist und daher nicht von der Hamas, dem Islamischen Dschihad, der Fatah, der Volksfront oder anderen Gruppen kontrolliert werden kann, hat sich als Herausforderung für die IDF erwiesen. Zusammen mit ähnlichen Gruppen wie dem Balata-Bataillon und der Jenin-Brigade stellen sie lokal verankerte Widerstandszellen dar, die einen Guerillakrieg gegen nahe gelegene militärische Kontrollpunkte und Siedlungen führen und ihre Städte und Dörfer vor Invasionen schützen.

Palestinian Feminist Collective.

Dies ist auf ein breiteres Phänomen palästinensischer Jugendlicher zurückzuführen, die seit der Messerintifada 2015 allmählich die Dinge selbst in die Hand nehmen und unabhängig von den alten Fraktionen, Parteien und Organisationen agieren. Dies erschwert die Situation für Israel, das gezwungen ist, seine Repressionsmechanismen ebenfalls zu erneuern. Im Jahr 2022 bemerkte ein “Sicherheitsbeamter”:

“Die Schütz*innen verlassen Nablus spontan, ohne eine klare Organisationsstruktur oder Hierarchie… Es gibt keine Befehle von oben nach unten, wie wir terroristische Infrastrukturen kennen. Sie haben keine organisierte Infrastruktur, das fordert uns heraus. Wenn wir die Möglichkeit hätten, würden wir individuell gegen sie vorgehen, aber das ist fast unmöglich.”

Dies gilt als Rechtfertigung für Razzien, Belagerungen und kollektiven Terror, der sich gegen ganze Bevölkerungsgruppen richtet. Im Zeitalter der formalen Organisation genügte es, bestimmte Personen ins Visier zu nehmen, aber jetzt ist jede*r verdächtig, was wahllosere Gewalt zulässt.

Ein und dasselbe: Siedler*innen neben Soldat*innen bei einem weiteren Pogrom in Hebron, November 2022.


Am Abend des 26. Februar marschierten Dutzende von Siedler*innen mit Molotowcocktails in Richtung der Dörfer Huwara und Zaa’tara in der Region Nablus im Westjordanland. Sie begannen, Häuser, Fahrzeuge und Geschäfte in Brand zu setzen. Dies geschah unter den wachsamen Augen von IDF-Soldat*innen, die nichts unternahmen, um die Randalierenden aufzuhalten.

Es ist gängige Praxis, von IDF-Soldat*innen es zuzulassen, dass Siedlungspogromist*innen die lokale Bevölkerung terrorisieren und ausschließlich gegen Palästinenser*innen vorzugehen, die versuchen, sich zu verteidigen. Für die Palästinenser*innen vor Ort gibt es kaum einen Unterschied zwischen “militärisch” und “zivil”, da beide koordiniert zusammenarbeiten und die gleiche Macht darstellen.

Mehr als 70 Häuser wurden in Brand gesteckt, in mindestens neun von ihnen befanden sich noch Familien. Sie wurden evakuiert, während ihre Häuser bis auf die Grundmauern niederbrannten, zusammen mit Hunderten von Autos, Geschäften, Krankenwagen und Tieren. Am Ende des Pogroms gab es Hunderte Verletzte. Ein Mensch kam ums Leben: Sameh Al-Aqtash aus dem Dorf Zaatra.

Es ist unklar, wie es weitergehen wird, aber zu erwarten ist, dass die Repression zunimmt. Gleichzeitig werden die Menschen weiterhin innovative neue Wege des Widerstands entwickeln, sich den Umständen anpassen und vorwärts gehen. Die Auswirkungen der autoritären Machtergreifung auf die ohnehin schon katastrophale Lage sind noch nicht zu überblicken.


Die Nachwirkungen.

Der Kampf geht weiter.

  1. Für einen Überblick der verschiedenen zeitgenössischen fundamentalistischen und ultranationalistischen Strömungen innerhalb des religiösen Zionismus empfehlen wir die folgenden Quellen: “The Decision Plan”, ein 2017 veröffentlichtes Manifest von Betzalel Smotrich, Vorsitzender der religiös-zionistischen politischen Liste in der Knesset und derzeitiger Finanzminister, beschreibt darin detailliert, wie der “israelisch-palästinensische Konflikt” gelöst werden sollte: vollständige Annexion des Westjordanlands so wie des Gazastreifens und mehr jüdische Siedlungen. Für die Palästinenser*innen bietet er zwei Alternativen an: Sie könnten (vorerst) als Einwohner*innen ohne Staatsbürger*innenschaft leben oder in andere Länder einwandern (Zwangsumsiedlung). In einer Rede in der Mercaz HaRav Jeschiwa in Jerusalem erklärte er 2019, dass das “Gesetz der Tora nach Israel zurückkehren sollte”. Zu weiteren einflussreichen Befürworter*innen des religiösen Zionismus gehören die Autoren von Torat Hamelekh, in dem das Schicksal der “Nichtjüd*innen” nach jüdischem Recht beschrieben wird, und Yitzchak Ginsburgh, ein einflussreicher Rabbiner, der von vielen als Anführer der Jugendbewegung Hilltop bezeichnet wird. Er sieht Smotrich und die Partei der Religiösen Zionist*innen als zu moderat an und tritt für die Wiedereinführung der jüdischen Monarchie im Land Israel ein. (Einige seiner Anhänger*innen möchten ihn zum König machen.) Er befürwortet auch die gewaltsame Umsiedlung von Palästinenser*innen und den Wiederaufbau des jüdischen Tempels in Jerusalem anstelle der Al-Aqsa-Moschee – eine Vision, die die Region in einen Religionskrieg stürzen würde. Für ihn ist der Staatsstreich positiv, da dieser das Justizsystem schwächt, was ihm aber nicht reicht: Er plant es vollständig abzuschaffen, einen offenen Krieg mit dem bestehenden Staat zu führen und eine theokratische Revolution wie im Iran vorzubereiten.