Seht es ein!

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Eure Politik ist scheisse-langweilig!

Ihr wisst, dass das wahr ist. Wenn nicht, warum stöhnt jede*r auf, wenn ihr das Wort erwähnt? Warum sind bei euren anarcho-kommunistischen Theoriegruppen-Treffen immer so wenig Leute anwesend? Warum ist das unterdrückte Proletariat nicht zu Bewusstsein gekommen und hat sich euch angeschlossen in eurem Kampf um Befreiung?

Nach Jahren voller Aufklärungsarbeit bist du vielleicht dazu übergegangen ihnen die Schuld an ihrer Situation zu geben, so als wollten sie selbst unter dem Fuß des kapitalistischen Imperialismus zerdrückt werden. Warum würden sie sonst kein Interesse an deiner politischen Arbeit haben? Warum haben sie sich euch immer noch nicht angeschlossen und begonnen wie ihr, politische Analysen zu verfassen, Parolen auf langweiligen Latsch-Demos zu brüllen und regelmäßig die anarchistische Buchhandlung aufzusuchen? Warum haben sie sich immer noch nicht hingesetzt und all die Begrifflichkeiten gelernt, um die Komplexität der Marxistischen Wirtschaftstheorie angemessen verstehen zu können?

Die Wahrheit ist, dass eure Politik für sie langweilig ist, weil sie für sie keine Bedeutung hat. Sie wissen, dass eure überholten Formen und Arten des Protest – eure Demos, Kundgebungen und Treffen – machtlos sind, irgendeine wirkliche Veränderung im Hier und Jetzt herbeizuführen, weil sie solch ein vorhersehbarer Teil des Status Quo geworden sind. Sie wissen, dass euer Post-Marxistischer Jargon so abgehoben ist, weil es eben eine Sprache akademischer Dispute ist, und nicht eine Waffe, um das herrschende System zu zerstören. Sie wissen, dass eure inneren Grabenkriege, eure Splittergruppen und endlosen Streitereien über theoretische Hirngespinste nie eine tatsächliche Veränderung in dem Leben, das sie tagtäglich zu führen haben, hervorrufen wird. Sie wissen, dass wer auch immer in den oberen Etagen sitzt, wer auch immer die Gesetze festlegt, unter welchen “-ismen” auch immer die Intellektuellen marschieren, der Inhalt ihres Lebens immer gleich bleiben wird. Sie – und wir – wissen, dass dieses Gelangweilt-Sein der Beweis dafür ist, dass diese Politik nicht der Schlüssel zu einer wirklichen Umgestaltung des Lebens ist. Und das auch deshalb, weil unser Leben schon langweilig genug ist!

Und das wisst auch ihr ganz genau! Für wie viele von euch ist Politik eine Verantwortung? Etwas für das man sich einsetzt, weil mensch fühlt, dass mensch es tun sollte, selbst wenn es tief in einem/einer drin Abermillionen andere Dinge gäbe, die mensch gerade tausendmal lieber tun würde. Deine ehrenamtliche Arbeit, ist sie dein liebster Zeitvertreib oder machst du sie nur aus einem Pflichtgefühl heraus? Warum glaubst du, ist es so verdammt schwierig andere für die gleiche ehrenamtliche Arbeit zu gewinnen? Kann es sein, dass es sich vielmehr um ein Schuldgefühl handelt, dass dich dazu treibt deine “Pflicht” zu erfüllen politisch aktiv zu sein? Vielleicht machst du dir diese Arbeit “schmackhaft”, indem du versuchst – bewusst oder unbewusst – in Schwierigkeiten mit den Autoritäten zu kommen oder verhaftet zu werden. Nicht weil es deinem Ziel nutzt, sondern weil es die ganze Sache “aufregender” macht, dich etwas davon spüren lässt, was in längst vergangenen Tagen die Romantik von sich bewegenden Zeiten war. Hast du jemals gespürt, dass du an einem Ritual teilnimmst, einer schon seit langem etablierten Tradition von alten Protestformen, die nur dazu dient, die Position des Mainstreams zu stärken? Hast du dir nie insgeheim gewünscht, der Stagnation und Langeweile deiner politischen “Verantwortung” entfliehen zu können?

Es ist kein Wunder, dass sich dir niemand in deinen politischen Bemühungen angeschlossen hat. Vielleicht sagst du zu dir selbst, dass es ein harter, undankbarer Job ist, dass ihn aber eben wer machen muss. Wir aber meinen: NEIN.

Ihr erweist uns allen einen schlechten Dienst mit eurer langweiligen und uninteressanten Politik. Es ist nicht die Politik unseres ach so “demokratischen” Systems, in der die gewählt werden, die eben genau dieses Systems reproduzieren. Auch nicht die Politik der “Ich hab mich für linksradikale Politik eingesetzt, weil ich es liebe über triviale Dinge zu streiten und rhetorisch gewandt über eine unerreichbare Utopie zu schreiben”-Anarchisten. Und auch nicht die Politik eines Führers oder einer Ideologie, die formulieren, dass mensch Opfer bringen muss für die große “Sache”. Wenn ihr die Politik vom Jetzt, von den alltäglichen Erfahrungen der Menschen löst, dann wird sie vollkommen irrelevant. In Wahrheit verkommt sie dann zur Domäne von wohlhabenden, bequemen und sorgenfreien Intellektuellen, die es sich leisten können, sich in so eintönigen und theoretischen Disputen auszutoben. Wenn ihr selbst nur aus Pflichtbewusstsein politisch arbeitet und politisches Handeln eher zu einer öden Pflicht macht als zu einem Spiel, das um seiner selbst willen aufregend ist, dann verschreckt ihr all die Leute, deren Leben bereits zu langweilig für eure Langeweile ist. Wenn ihr Politik zu einem leblosen Ding, einem freudlosen Ding, einer langweiligen Pflicht macht, dann wird sie nur einen weiteren Ballast für die Menschen darstellen anstatt etwas, das ihnen ihre Last abnimmt. Und deshalb macht ihr die Idee von Politik für jene Leute zunichte, für die sie eigentlich am wichtigsten sein sollte. Deshalb hat jede*r einen Gewinn davon das eigenen Leben zu betrachten und sich selbst zu fragen, was mensch tatsächlich selbst seinem/ihrem Leben abverlangen will und wie mensch es bekommen kann. Aber ihr macht Politik in ihren Augen zu einem schauderhaften, selbst bezogenen und sinnlosen Spiel der Mittelklasse, einem Spiel, das überhaupt keine Relevanz für ihr wirkliches Leben hat, das sie tagtäglich führen.

Was sollte dann aber eigentlich politisch sein? Dass wir daran Spaß haben, wie wir unser Essen und unsere Wohnung bekommen. Dass wir unsere täglichen Beziehungen zu FreundInnen, NachbarInnen und MitarbeiterInnen befriedigend finden. Dass wir die Möglichkeit haben jeden Tag so zu leben wie wir es uns wünschen. Und “Politik” sollte vor allem nicht darum gehen, darüber zu diskutieren, sondern direkt für eine Verbesserung des Hier und Jetzt zu handeln, auf eine Art zu Handeln, die selbst bereits befriedigend, aufregend und lustvoll ist. Denn politisches Handeln, dass langweilig ist und unter einem Pflichtbewusstsein lastet, kann nur Langeweile, Resignation und Unterdrückung hervorbringen. Es sollte keine Zeit mehr damit verbracht werden über irrelevante Themen zu diskutieren, wenn wir am nächsten Tag eh wieder zu unserem beschissenen Job zurückkehren müssen. Es sollte auch keine vorhersehbaren ritualisierten Formen des Protest mehr geben, mit denen die Autoritäten bereits allzu gut umzugehen wissen. All das wird uns nicht wirklich weiterbringen. Niemals wieder sollten wir uns für die “Sache” ausbrennen und aufopfern lassen. Wir selbst, die Befriedigung unseres Lebens und das aller um uns herum muss die “Sache” werden!

Nachdem wir Politik relevant und aufregend gemacht haben, wird sich der Rest von selbst erledigen. Aber aus langweiliger, hauptsächlich theoretischer und/oder ritualisierter Politik kann nichts folgen. Das soll nicht heißen, dass wir uns nicht für die Menschen, Tiere und die Umwelt einsetzen sollen, die uns nicht zwangsläufig in unserem Alltag umgeben. Aber die Grundlage unserer Politik muss klar sein: Sie muss sich auf das Jetzt beziehen, sie muss allen klar machen, warum all der Aufwand wert ist und sie muss um ihrer Willen lustvoll sein. Wie können wir eine positive Veränderung für andere Menschen erzielen, wenn wir uns selbst unwohl mit unserem eigenen Leben fühlen?

Um das einmal klar zumachen: Einen Nachmittag Essen zu sammeln, dass Geschäfte weggeworfen haben, das aber noch gut ist und es an hungrige Menschen oder solchen zu verteilen, die keine Lust haben für ihr Recht auf Essen zu bezahlen, ist eine gute politische Aktion. Aber auch nur, wenn du es selbst genießt, wenn du es zusammen mit Freund*innen machst, wenn du dabei neue interessante Leute kennen lernst, dich vielleicht sogar verliebst oder ihr einfach nur zusammen Spaß habt. Wenn du dagegen einen Nachmittag lang damit verbringst einen Brief an eine obskure linke Zeitung zu schreiben, um den vermeintlich falschen Gebrauch des Begriffs “Anarcho-Syndikalismus” in einer Kolumne zu kritisieren, dann wird dich und uns das einen Scheiß weiterbringen. Und das weißt du auch!

Vielleicht ist es Zeit, einen neuen Begriff von “Politik” zu schaffen, weil ihr aus dem Alten ein solches Schimpfwort gemacht habt. Damit niemand davon abgeschreckt wird, wenn wir davon sprechen, gemeinsam dafür zu handeln, unseren Alltag zu verbessern. Und deshalb stellen wir hier und jetzt unsere Forderungen auf, die nicht verhandelbar und sofort umzusetzen sind. Denn wir werden nicht ewig leben, oder?

  1. Macht Politik wieder relevant für unser alltägliches Leben. Je weiter das Ziel unserer politischen Bemühungen rückt, desto weniger Bedeutung hat Politik für uns, desto erdrückender und lästiger erscheint sie uns.

  2. Jedes politische Handeln muss selbst lustvoll und aufregend sein. Mensch kann Langeweile nicht mit mehr Langeweile entkommen.

  3. Um die beiden ersten Schritte vollziehen zu können, müssen vollkommen neue politische Herangehensweisen und Methoden geschaffen werden. Die üblichen sind veraltet und überholt. Vielleicht waren sie NIE wirklich gut und genau deshalb ist die Welt so, wie sie gerade ist.

  4. Habt Lust an euch selbst! Es gibt niemals eine Entschuldigung dafür, gelangweilt zu sein… oder langweilig!

Schließt euch uns an, die “Revolution” in ein Spiel zu verwandeln, ein Spiel, das uns die höchste Erfüllung bringt. Aber auch ein Spiel, das von Grund auf lustvoll und sorglos ist.


Nadia C.